Montag, 18. November 2013

Goethe: Faust I – Rezension über die kommentierte Darbietung von und mit Philipp Mosetter und Michael Quast


          Am Montag, den 04.11.2013, konnte ich mir eine amüsante Darbietung von Goethes Faust I in der Fliegenden Volksbühne Frankfurt anschauen. Durch lustige, zuweilen stark überzogene Vortragsweise konnte Goethes Faust - der Tragödie erster Teil -  ein humorvoller Charakter verliehen werden, wobei die „personifizierte Fußnote“ (Philipp Mosetter) nicht nur in der Lage war, den Humor zu verstärken und bei den Grenzen zur Albernheit als regulierendes Element zu fungieren, sondern auch vor allem die vermittelnde Person zwischen den eigentlich Vortragenden (Michael Quast) und dem Publikum bildete. Dieser wiederum, der Goethe zu Beginn kaum versteht, bot eine wunderbare Identifikationsmöglichkeit mit denjenigen unter dem Auditorium an, die sich ebenfalls mit dem Fauststoff schwertun. Doch gerade deswegen ist die Idee, eine lustige Vortragsweise zu gestalten, durchaus von pädagogischem Wert, denn immerhin wurden seine libidinösen Kräfte als elementar zu seiner Schaffenskraft offenbart, was vielleicht zu einem besseren Verständnis Goethes für junge Leser führen könnte.
          Das „Ach“, dass erfährt man als Zuschauer gleich zu Anfang, drücke Goethes ganzen Schmerz aus, den er in den Mund Doktor Faustens gelegt hat. Dieses „Ach“  tauchte während der ganzen Inszenierung mehrfach auf und war von komischen Einlagen begleitet. Der Vorlesende (Michael Quast) wurde oft dazu ermahnt, mehr Pathos in diesen so wichtigen drei Buchstaben zu legen. Sätze wie „Das Ohr führt die Zunge!“, „Der Körper führt mit!“ und „Es muss älter klingen!“ unterbrachen den Vortragenden nicht wenig. An ähnlich wichtigen „Vokabularen“ (sic!) kam es ebenfalls zu eingreifenden Maßnahmen des Kommentierenden: „Kerker“ – was angeblich den dramaturgischen Spannungsbogen implementiere, oder „Flieh!“ – ein Wort, was grundlegend für die feministische Deutung sei. Der Rezitierende, der an einer Stelle ein lautes „Hä?“ von sich gibt, bekommt erläutert, dass die Phantasie zur Qual dahinterstecken würde, da es sich um Beschreibungen phantastischer Erscheinungen handle, die gleichzusetzen wären mit den schönen Mädchen um den jungen Goethe, die dieser zwar physisch lieben wollte, es zu jenem Zeitpunkt wohl aber nicht konnte, womit auch eine treibende Kraft Goethes aufgedeckt wäre.
Weiter ging es mit zoologischen Betrachtungen der Meerkatze bis zu Interpretationsansätzen mit dem Vorwissen der Quantenphysik (über die Szene mit dem Geist, der stets verneint), der Urknalltheorie, dem Welle-Teilchen-Dualismus und der Heisenbergschen Unschärferelation die besagt, dass man nur eine Sache beobachten kann, wenn man einen genauen Wert des zu beobachtenden Objektes herausfinden möchte, dass wenn man z.B. die Geschwindigkeit eines Teilchens herausfinden möchte, man auf die Auffindung dessen Ortes verzichten muss. Damit habe Goethe die Thematik der Quantenphysik nicht nur vorweggenommen, sondern diese auch verstanden.                                                                                                                                                                                                                                  
          Es folgte eine kabarettistische Einlage über Tebartz-van-Elst an der Stelle, wo es heißt: „Ich möchte bittre Tränen weinen…“ (Z.1544-1570 Reclam) , eine Erläuterung des Wortes „Napel“ (Das „schöne Fräulein“ sei der Nabel der Welt und das Ganze finde in Neapel statt, weswegen Goethe das Wort „Napel“ kreiert hatte – Z.2982 Reclam) und … und … und … Leicht überzogen kam mir die Blues-Version von Gretchens Monolog vor („Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer…“ – Z.3374-3413 Reclam) doch sie hatte immerhin den Zweck, nach der Pause in der Hälfte des Stückes das Publikum wachzurütteln, erfüllt. Es wurden viele weitere humorvolle Einlagen gebracht und am Ende des Stücks (von denen die Schauspieler die Standing Ovation leider nicht bekamen) gingen die beiden Hauptdarsteller wieder auf die Bühne mit dem Verweis, dass der Applaus nicht ganz den Erwartungen beider entsprach, weswegen das Ganze nun erneut wieder aufgeführt werden müsse. Deshalb: Anfangsszene wie zu Beginn, nur diesmal mit Faust – der Tragödie zweiter Teil… wobei die personifizierte Fußnote gleich zu erkennen gab, dass sie auch hierbei kompetent erklären kann.
Doch wenn man so darüber nachdenkt: Wurde bei dieser Aufführung der Fauststoff und seine vielen unzähligen Interpretationsansätze parodiert, oder vielleicht gar der Leser dieses Stoffes, oder möglicherweise alles gleichzeitig? Wenn es am Ende vom Kommentierenden heißt: „Scheitern ist die Aristokratie des Erfolges“ und dazu noch auffordert, sich diesen Satz zu notieren, so hat dies nicht nur den Effekt der Komik sondern enthüllt die Wechselwirkung von Gewinn und Verlust und fasst die Ambivalenz zu Beginn der Aufführung noch mal auf, die „zwei Seelen“, die sich in der Brust befinden (dazwischen sei das Schmerzhafte „Ach!“). Ambivalent war dann auch die Meinung des Publikums am Ende. Viele fanden die Aufführung wohl gelungen, doch  beim Verlassen des Saals hörte ich eine ältere Dame schimpfen, dass der Schund ja nun endlich vorbei sei.
          Doch macht euch von allem selbst ein Bild: 

Samstag, 2. März 2013

Beim Seminar von Nikolaus B. Enkelmann




Am Freitag, den 22.02 2012 konnte ich zum ersten Mal gemeinsam mit meinem Vater einem Seminar von Nikolaus B. Enkelmann beiwohnen. Leider hatte sich mein Vater die falsche Uhrzeit notiert, so dass wir mit einer Stunde Verspätung ankamen. Doch ich konnte mir über die restlichen fünf Stunden Seminar (mit einer langen ¾ Stunde Pause und zwei 20 minütigen Pausen) wohl ein Bild des ganzen machen.
 Es ging hauptsächlich um Autosuggestion. Die Sprüche, die man sich suggerieren sollte waren im Heft, das man zu Anfang bekam, beigelegt.
Bei der Autosuggestion geht es darum sich selbst (lat.: „auto“) etwas zu suggerieren (lat.: „suggestio“ –Einflüsterung), sich also selbst etwas so lange einzureden, bis man das, was man sich einredet, anfängt zu glauben. Das sind in etwa Dinge wie „Ich freue mich, das ich lebe“ oder „Ich weiß, ich kann, was ich will“. Das erfolgt am besten, indem man die Texte, die man sich suggerieren will, auswendig lernt, und vor dem Spiegel rezitiert. Da diese Dinge mit nichts negativem behaftet sind, kann man wohl davon ausgehen, dass die Autosuggestion eher hilft als schadet, schließlich redet man sich doch ein, dass das Leben wunderschön sei – auch, wenn es einem  hundsmiserabel geht.
Einige werden diesen letzten Satz vielleicht als eine Anspielung auf Voltaires „Candide“ verstehen, und richtig: In einer Pause ging ich zum Herrn Enkelmann und zitierte ihm die Stelle von „Candide“. „Optimismus ist der Irrglaube zu denken, dass alles wunderschön sei, wenn es einem hundsmiserabel geht.“ Darauf meinte er: „Wem glauben Sie? Enkelmann oder Voltaire? Ich würde mich von keinem Arzt behandeln lassen, der Pessimist ist, ich würde mich von keinem Anwalt verteidigen lassen, der Pessimist ist.“ Ergo: Mit Pessimisten (darunter versteht er scheinbar auch Voltaire) will er wohl nichts zu tun haben.
Doch ich sollte an dieser Stelle erst einmal im Groben wiedergeben, was dort gesagt wurde:
Wir kamen -mit Verspätung- in den Seminarraum. Dort schallte uns schon die gewaltige Stimme (sie ist wirklich exzellent trainiert) Enkelmanns entgegen. Ich bekam dann Sätze mit wie „…vom Schatten der Vergangenheit befreien, nicht durch denken, sondern durch Autosuggestion“ und dass man diese Leitsätze zum Suggerieren auswendig lernen muss. Dass diese sich im Langzeitgedächtnis verankern sollen. Klang für mich wie ein Universalheilmittel, das man uns da versprechen wollte. Man solle seinen „Text auswendig lernen wie ein Othello auf der Bühne“. Kurz vor der Pause erzählte er uns, wie er sagte, ein Märchen: „Ein Junge, der seinen Vater sehr liebte, ging diesem auch schon ein wenig auf die Nerven, durch dessen ständige Anwesenheit. Nun las der Vater gerade in seiner FAZ und entdeckte dort ein Bild von der Erde. Er sagte zu seinem Sohn:“ Pass auf, du bist doch so schlecht in Geographie, deswegen schneide ich dir dieses Bild von der Welt aus, zerreiße es in tausend kleine Stücke, und du setzt diese Teile wieder zusammen. Etwas Besseres kannst du für Geographie an diesem Wochenende nicht machen.“ Gesagt getan, das Bild wird auseinandergerissen und der Vater erhofft sich damit etwas Ruhe. Sein Sohn kommt jedoch wenig später zurück mit dem fertigen Bild der Welt. Der Vater fragte seinen Sohn,  wie er das so schnell gemacht hat, und der Sohn meinte: „Auf der Rückseite war das Bild eines Menschen. Und als der Mensch fertig war, war die Welt in Ordnung.“ …“
 Soll das nun heißen, dass der Mensch die Krönung der Schöpfung ist? Wie ein Prediger kam er mir dabei schon vor.
Nun denn, die Pause kam und nach dieser übernahm dann Dr. Claudia E. Enkelmann, seine Tochter das Wort. Diese hielt einen Vortrag über die Probleme der Beziehungen zwischen Mann und Frau. Nach den ersten Sätzen war mir zum Davonlaufen. Ihre Stimme klang künstlich und anfangs etwas schrill. Damit wollte sie wohl witzig erscheinen, nun, bei einigen hatte sie damit vielleicht Erfolg. Sie fing mit einer Skizze an. Sie stellte vor, dass unsere Gesellschaft zurzeit mindestens neun Milieus hätte, Tendenz steigend. Menschen die in ihrem Milieu reingeboren werden, verbleiben, so ihre Worte, zu 76% darin. Ihr Partner oder Partnerin sei meist im selben Milieu. 8% steigen ab, und 16% steigen die Karriereleiter rauf. Nach diesen Fakten kam eine abstrakte Veranschaulichung über die heterogenen Denkstrukturen von Mann und Frau. Ein Mann denke in diesem Fall  – wie sie es ausgedrückt hat- in „Paketen“. In jedem „Informationspaket“ werden die Gedanken strukturiert und aufbewahrt, eben all das, was für einen wichtig sei. Sie meinte, dass größte Paket, sei das Paket „Nichts“, damit sollte jedoch nicht gemeint sein, dass ein großer Teil der Gedanken „Nichts“ ist, sondern dass „Nichts“ angeblich immer im Zusammenhang der Fragen von Frauen an Männer besteht, die schlicht ihre Ruhe haben wollen, und entsprechend nach der Frage, was sie denn gerade machen würden immer oder oft mit „Nichts“ antworten würden. Die Frau hingegen werfe – so ihre Wortwahl – alles in eine „Handtasche“. Dadurch entstehe ein Chaos, dass alle Dinge enger miteinander verknüpft sind – das würde auch „Multitaskingfähigkeit“ genannt. Dementsprechend käme es bei einem Streit zu fehlerhaften Verhaltensweisen – Eine Frau erinnere sich demnach an alles, was ihr negativ an ihrem Partner aufgefallen ist, und wie eine Flutwelle möchte sie ihren Schwall an Vorwürfen auf ihren so fehlerhaften Partner ergießen. Da diese jedoch nicht alles auf einmal sagen könne, denke sie demnach laut. So käme es, dass der Partner nicht wisse, was die Absicht der Aussagen der Partnerin seien, da die Vorwürfe, die vergangenheitsbezogen sind, doch gar nichts mit der einen Sache zu tun hätten, es ist demnach unlogisch für den Mann, der den Inhalt dessen, was ihm vorgeworfen wird, keinem „Paket“ zuordnen könne .
Eine Frau besitze im Gegensatz zum Mann ein eher schwaches Selbstbewusstsein. Durch ihre Art, sich selbst schlecht zu machen, suggeriere sie ihrem Partner, dass sie es auch sei. Frau Dr. Enkelmann erklärte dies an einem Beispiel: Wenn eine Frau sich selbst zu dick findet, konfrontiere sie damit ihren Partner und erkläre ihm permanent, dass sie zu dick sei. Der Mann der sie indes zu beruhigen versuche, komme mit seinen Worten nicht an sie heran. Doch durch das permanente suggerieren, dass sie zu dick sei, sei der Mann irgendwann davon überzeugt, so dass er irgendwann selbst meine, dass sie (seine Partnerin) zugenommen hätte, und ihr Selbstwertgefühl sänke weiter.
Erst gemeinsame Ziele schüfen Partnerschaft. Nun sei es so, dass, wenn man einen Partner oder Partnerin gefunden habe, man mit diesem den Bund der Ehe eingehen wolle. Frau Dr. Enkelmann verglich dies mit einer „Festanstellung“. Der Mann habe ab diesen Zeitpunkt sein Versprechen erfüllt, für seine Partnerin zu sorgen. Doch es käme zu einem Zielkonflikt: Der Mann möchte nach draußen gehen um zu kämpfen, während die Frau davon ausgehe, dass die Beziehung in der Ehe sich noch weiter verfestigen und verbessern würde. „Was gut ist, kann verbessert werden“. Die Frau fühle sich jedoch irgendwann durch dieses unerfüllte Ziel nicht mehr geliebt. Sie fange deswegen eines Tages damit an, ihn mit Sätzen zu konfrontieren, die entweder mit „Nie, immer, keine, alle“ anfangen- oder aufhören. Eine Zeitlang sei der Mann bereit, einige Wünsche zu erfüllen und bringe eventuell ein paar Geschenke, da er davon ausgehe, dass es sich dabei nur um eine Phase handeln würde. Doch die Frau, die ihre Wünsche auf mehr Aufmerksamkeit als nicht erreicht sähe, denke indes sie müsse die Frequenz ihrer Meckerei noch weiter erhöhen, um entsprechend mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Kritik“, sagte Frau Dr. Enkelmann an dieser Stelle, „sei der größte Liebeskiller. Doch gerade das sei es, was eine Frau macht: Sie kritisiere ihren Partner nur noch“. Der Mann denke sich jedoch dabei, dass seine Partnerin nicht mit der aktuellen Lage, finanziell bedingt, zufrieden ist, und kämpfe entsprechend noch mehr draußen – und opfere noch mehr Freizeit. Irgendwann resigniere die Frau, und sagt nichts mehr, die meisten Männer interpretieren dies als Zeichen der Verbesserung, und denken, sie würden alles richtig machen. So käme es zum Ehebruch. Entsprechend solle man sich verhalten, um dies zu verhindern. Als Möglichkeit nannte sie mindestens dreimal im Jahr, ein „liebeswochenende“ zu gestalten, verreisen und sich in Zweisamkeit vergnügen. Eine „Affäre“ mit der eigenen Ehefrau. Außerdem solle man Komplimente machen, und es mache, laut ihrer Aussage, nichts aus, wenn man(n) auch lügen würde. Wenn man seiner Partnerin beispielsweise sage, dass sie eine hübsche Nase hätte, dann würde sie, wenn man es zehnmal sagt auch glauben, man suggerierte ihr, dass sie eine hübsche Nase habe. Gleichzeitig autosuggeriere man sich selbst, dass der eigene Partner eine hübsche Nase hätte. Beide glauben es demnach mit der Anzahl der wiederholten Komplimente.
Der letzte Teil, war für mich jedoch schwer zu verdauen: Kann eine gute Beziehung nur dann funktionieren, wenn man sich Lügen bedient? Ich stellte Frau Dr. Claudia E. Enkelmann diese Frage in der darauffolgenden Pause, und sie meinte, dass es nicht immer gut sei die Wahrheit zu sagen. Sie meinte, ich soll sie in 15 Jahren wieder treffen, dann könnten wir uns wieder darüber unterhalten. Ich sei noch mit solchen Dingen nicht wirklich vertraut, meinte sie, außerdem sollte ich mit meinen 18 Jahren nicht allzu vernünftig sein… Das verwunderte mich allerdings, doch ich ging nicht näher darauf ein…
Nach der Pause wurde der Inspirational Life Award vom Enkelmann- Institut an Frankh Gotthardt vergeben. Am Ende seiner Dankesrede löste dieser sich vom Pult und rief ein Zitat (angeblich von Goethe):
„Das Wort "ich will" ist mächtig, sagts einer leis und still.
Die Sterne reißt's vom Himmel, das kleine Wort "ich will"!“
Nach der Ehrung kam wieder Nikolaus B. Enkelmann zu Wort. Er machte zunächst einen Test über das Selbstbewusstsein seiner Zuschauer, ließ uns aufstehen,  die Augen schließen, und dann, mit dem Bewusstsein, dass der Stuhl unter einem ist, in den Sitz fallen.“ Ein ängstlicher Mensch“, meinte er, „würde die Augen aufmachen um sicherzugehen, dass er nicht hinfällt“. Er erklärte dann, dass der Mensch drei Gehirne habe (wohl Kleinhirn, Großhirn, Stammhirn). Bei Stress separieren sich diese Gehirne immer mehr voneinander. Aus diesem Grund, müsse Entspannung erzeugt werden. Eine Stimme dränge tiefer in die Seele, als wenn man die Informationen nur lesen würde. Eine Stimme sei überhaupt ein Zeugnis dessen, was in der Seele sei. Man solle einmal einen Blinden fragen, wie viel dieser aus der Stimme des fragenden heraushören kann. Er sprach, dass man nur durch Entspannung -die richtig angewendet in 10 Minuten mehr Erholung einbrächte als zwei Stunden Schlaf- den Alphazustand erreichen könne, einen Zustand, in dem die Persönlichkeit eines Menschen so formbar sei wie Wachs. Ein Lehrer solle überhaupt seine Schüler immer mit Entspannungstechniken in diesen Zustand befördern, da man dort in der Lage sei, das meiste im Unterbewusstsein zu verankern. Die Zuschauer standen auf, eine entspannende Musik ertönte, und er sprach zu der Musik. Er ließ alle in dem Raum „pendeln“ – dabei handelt es sich um eine natürliche Bewegung, die bei entspanntem Stehen eintritt. Dann folgte das bewusste positive Suggerieren. Darin ging es hauptsächlich, dass, wenn immer man seine – das heißt, die Stimme des Herrn Enkelmanns-  hört, leichter in einen Alphazustand versetzt werden soll, dass das Unterbewusstsein alles offenbaren wird, was man wissen möchte, und dass die geistigen Kräfte erweckt werden sollen. Man soll sich von seinen negativen Gefühlen lösen, und jede Kränkung und Beleidigung vergessen.
Ich dachte schon, es wäre eine Art seelischer Läuterung. Doch es scheint nicht geschadet zu haben. Nach diesem Trancenspiel redete er weiter davon, dass das wichtigste die Freiheit sei, die nur dann erfolgen kann, wenn man positiv denken würde. „Man soll nicht Zweifeln“, sprach er, Zweifel spalte die Energie in positive und negative, doch man müsse vor allem seine positive Energie verstärken. Anschließend kam die Frage: „In welchem Gebiet möchten Sie in fünf Jahren die Nummer eins sein?“
Jeder Mensch habe ein Helfersyndrom. Dieses könne man sich, so Enkelmann, jedoch zunutze machen. Man müsse aufpassen, dass man nicht selbst zu sehr seinem eigenen Helfersyndrom verfalle. Deswegen solle man auf seinen Freundeskreis schauen, und zusehen, dass man mindestens 6 Freunde hat, denen es besser geht als einem selbst (wohl vor allem beruflich oder finanziell), dann würde der Erfolg fast von alleine kommen. Man könne jedoch auch lernen ein Versager zu sein: „Tippelbrüder haben Freunde die auch Tippelbrüder sind, Millionäre haben jedoch Freunde, die ebenfalls Millionäre sind – Sage mir mit wem du umgehst, und ich sage dir wer du bist.“ Sein Vater hätte nach dem Russlandfeldzug wieder mit nichts angefangen, und zählte nach zwei Jahren wieder zu den Besten, weil er so früh wie möglich damit angefangen hat, Kontakt mit den Erfolgreichen aufzunehmen. Nur diese brachten ihn weiter. Viele Menschen würden sich nicht trauen, wirklichen Kontakt mit Erfolgreicheren aufzunehmen. Sie hätten lieber Freunde, von denen sie sich durchloben lassen könnten (also jenen, die schwächer als man selbst ist).
Dann meinte er, dass es nicht nötig sei,  jeden Tag meinen zu müssen, das Rad neu zu erfinden (damit wollte er wohl meinen, dass man nicht nonkonformistisch sein soll, und sich mit den Gegebenheiten, den Dingen, die andere Liefern, zufriedengeben soll. Außerdem soll man auf die Vorleistungen anderer wohl vertrauen, wie seine nächste Aussage verdeutlichte). „Ein Zwerg sieht auf den Schultern eines Riesen mehr als dieser.“ Ferner müsse man das äußerste Anstreben, um das Möglichste zu erreichen. Ganz so, als ob man wie eine Pflanze der Sonne entgegenwachsen würde. Um das zu erreichen, müsse man Erfolgsbücher lesen. Bei erfolglosen Menschen hätte er Bücher dieser Art nie gefunden.
Es kam bald eine Aussage, die mir besonders zugemutet hatte: „Ein Einzelkämpfer hat keine Chance mehr, da sind Sie 500 Jahre zu spät geboren.“
Das wichtigste Handwerkzeug, was ein Mensch besitze, sei Rhetorik. Dieses würde man ebenfalls nicht durch Denken, sondern durch Training erreichen. „Wer sprechen kann, wird vorgeschickt. Man muss frei, sicher und motiviert sprechend können, und man kann sich auf solche Dinge vorbereiten.“ Dreh- und Angelpunkt sei das gesprochene Wort. Ein Mensch, der seine Stimme entsprechend trainiere, würde am Kernbestand seiner Seele arbeiten. „Die Stimme ist ihr Kapital“. Je mehr Kraft man seiner Stimme gäbe, desto mehr Kraft komme in das Leben. „Man verschenkt die Beste Zeit seines Lebens, wenn man nur damit beschäftigt ist, seine Klugheit zu erweitern. Man sollte lieber an seiner Rhetorik arbeiten“ . Enkelmann kenne Menschen mit den höchsten Intelligenzquotienten, auch jene, die mehrere Sprachen sprechen können und trotzdem nicht erfolgreich sind. Man erreiche seine Ziele demnach, indem man seine Autosuggestion auswendig lernt und vor dem Spiegel rezitiere. Bei vielen sei das Problem, dass die Stimme zu hoch sei – je tiefer die Stimme, desto mehr könne sie die Seele eines Menschen ergreifen. Darum solle das größte Ziel des Menschen sein, ein großer Redner zu werden. Was für die Bäume Sonne, sei für die Menschen Erfolg (dadurch wachsen sie). Ein jeder Mensch kann demnach entscheiden, ob er der Steuermann seines Lebens sei und seine Rhetorik nutzt.
Dann beendete er sein Seminar mit den Worten (die Zuschauer sollten ihm nachsprechen): „In mir brennt ein Funke. Ich entzünde in mir das Feuer der Begeisterung (…)“ .Dieser Funken der Begeisterung, solle entsprechend auf andere Menschen übergehen und diese von seinen eigenen Zielen mitreißen und begeistern.
Zu diesem Schluss wurde ein Spruch auf die Leinwand der Präsentation geblendet „Diese Welt braucht erfolgreiche Menschen. Ja, diese Welt braucht Sie. Dazu wurde „Time to Say Goodbye“ von Sarah Brightman gespielt – wohl deswegen, weil dies das letzte Late-Night-Seminar des mittlerweile 77 Jahre alten Nikolaus B. Enkelmann war.

  Resümee
Was soll man also davon halten? Wenn ich ein Skeptiker wäre, würde ich folgende Behauptung aufstellen:
Wer hört nicht gerne, dass Autosuggestion ein Allheilmittel sei, dass man nicht durch Denken, sondern nur durch Autosuggestion erfolgreich sein kann? Den Denkfaulen bietet man so eine Möglichkeit, erfolgreich zu sein, ohne seine Hirnmasse in gleicher Stärke zu erhöhen. Man soll lieber an seiner Rhetorik arbeiten, als an seiner Klugheit? Da kann man doch als Zyniker die These aufstellen, dass es sich bei dieser Gruppe um ein Netzwerk handelt, dass seine Anhänger geistig verankert, sie an Autosuggestion derart fesselt, dass man den Vorteil hat, Erfolgreiche Menschen auf seiner Seite zu haben, die man mit Spruchbändern versorgt, die jedoch nicht so klug sind, hinter dem subtilem System zu kommen, das seine Leute wohl kontrolliert. Es findet schließlich eine massive Überzeugung der Zuschauer statt, die vor allem unbewusst mit Dingen suggeriert werden, die sie nachher glauben (zum Beispiel, dass Einzelkämpfer keine Chance hätten, oder dass Autosuggestion ein Allheilmittel sei). Die Geschichte mit dem Mensch und die Welt kommt einer Gleichsetzung des Menschen als Krönung der Schöpfung gleich. In dem zum Seminar hinzugehörigen Heft von Enkelmann findet man auf der ersten Seite „Die 14 ewigen Gesetzte zur Lebensentfaltung“ hört sich fast an wie eine Art von den Geboten, wie man Sie aus der Bibel kennt. Theos scheint hierbei das Unterbewusstsein zu sein, das man anbetet (eben durch Autosuggestion). Gefährlich wird hierbei wohl auch das Gesetzt Nr. 12 aus dem Heft: „Zustimmung Aktiviert Kräfte. Ablehnung Vernichtet Lebenskraft.“ Wenn ich also das alles ablehne, was man mir in diesem Seminar gesagt hat, wird entsprechend meine Lebenskraft vernichtet …?
Doch ich bin kein Skeptiker, deswegen lasse ich es lieber. Hier eine positivere Veranschaulichung:
Zunächst stimme ich vollkommen zu, dass nicht Klugheit über den Erfolg entscheidet. Wenn die Klugen die Erfolgreichen wären, sähe die Welt anders aus. Rhetorik ist nun einmal das Mittel, womit man seine Mitmenschen mitreißen kann. Die Stimme drückt deutlich das aus, was in der Persönlichkeit eines Menschen vorkommt. Und die Stimme ist trainierbar. Der Alphazustand scheint ebenfalls eine interessante Pädagogik zu sein – kenne ich doch selbst einen Lehrer, der regelmäßig Stilleübungen mit seiner Klasse durchführt.
Autosuggestion ist ein Mittel – ein Mittel sein Selbstbewusstsein langfristig  zu stärken. Das steht für mich außer Zweifel. Dennoch sollte daran keine Überbewertung als „Allheilmittel“ stattfinden. Es ist wohl, wie mein Vater mir nachher sagte, dass man dieses Seminar als ein Gemüsestand betrachten sollte, und das nimmt, was man mag. Da stimme ich ihm zu und man kann schließlich auch von Gemüse Übelkeit bekommen, wenn man zu viel davon verzehrt. Ich für meinen Teil kann vor allem nicht akzeptieren, dass die Einzelkämpfer keine Chance mehr hätten. Nun denn – dann autosuggeriere ich mir eben, dass sie sehr wohl eine Chance haben.



                              Herr Enkelmann (rechts)

Mittwoch, 27. Februar 2013

Bei einer Vorlesung von Peter Stamm



Vergangene Woche, am Donnerstag, den 21. Februar 2013, durfte ich im Ratssaal des Rathauses von Mainz einer Vorlesung Peter Stamms, eines bekannten Schweizer Schriftstellers, beiwohnen. Es war der Vorabend zu seiner Ernennung zum Mainzer Stadtschreiber. Zwei seiner Erzählungen las er vor: „In die Felder muss  man gehen …“ aus dem Erzählband „Wir fliegen“, und einer Erzählung die von einem in Arbeitsurlaub befindlichen Schriftsteller berichtet, der für sein Referat über Maxim Gorki Ruhe benötigt und entsprechend in ein heruntergekommenes Hotel ankommt, dessen Service dem Äußeren des Hotels gleichkommen mag und im monetären Vergleich zu keinem Verhältnis der Ausstattung steht. In beiden wird der Name „Anna“ erwähnt, was jedoch nicht bedeutet, dass beide Geschichten einen engeren Zusammenhang haben, prinzipiell kann man sagen, sie haben nicht viel gemeinsam.
Erstere Erzählung, „In die Felder muss man gehen …“, handelt von einem Maler, der – nach der Frage des Grundes, weshalb er überhaupt malt, nachgeht, und die Wahrheit seiner Illusion scheinbar von einem spielenden Jungen exemplifiziert bekommt.
Dazu muss man sich vorab die Frage stellen, was jene Eigenschaften sind, die Bilder zu dem machen, als was wir sie betrachten, und woraus die Komponenten bestehen. Es handelt sich um Lichtfrequenzen, die das Auge erfasst, die mit der Phantasie in Einklang gebracht werden um das zu entwerfen, was im Ergebnis mit den Wünschen und Hoffnungen des Erschaffers steht. Doch es sind, zumindest für den realitätsgetreuen Schwarzseher ohne Phantasie, lediglich einige Farben die in willkürlicher Reihenfolge auf eine Leinwand geschmiert sind. Farben die ein Künstler durch Mischung erweitern kann, und so seine Palette erweitert. Die Form, in diesem Fall die Farben, sind begrenzt. Der Inhalt, der sich aus der Phantasie des Künstlers suggeriert hingegen nie.
Beziehen wir das Ganze auf den  Schriftsteller: Dieser kann seine Palette an Worten lediglich in Form von Neologismen erweitern, doch es sind Dinge, die nicht jeder wahrzunehmen vermag, zumindest nicht optisch. Inhalt und Form sind nie so stark wie bei den des Textes miteinander verknüpft. Aus einem Code von 26 Buchstaben (ohne Umlaute und in Deutsch) generiert ein Schriftsteller seine Werke, dessen Wortzusammensetzungen Regeln unterworfen sind. Doch für einen Schriftsteller (und hoffentlich auch für einen Leser) ist ein Text viel mehr als das, ein Beweis für die essentielle Wichtigkeit dessen, was geschrieben, und nicht von dem, wie es geschrieben steht. Wobei Letzteres für allgemeine Verständigung dient. Es scheint demnach eine Form von Selbstironie zu sein, mit dem Peter Stamm seine Leser konfrontiert. Diese können darüber diskutieren, analysieren und interpretieren, es handelt sich dennoch um einen Haufen Wörter die der Autor mit phantastischem Inhalt in Form gebunden und somit für alle zugänglich gemacht hat. „Es ist nur ein Stück Holz …“





Samstag, 9. Februar 2013

Im Goethehaus

Mein Vater und ich waren heute im Goethehaus. Eine Frau musste am Eingang Goethes Hauses ihr Gelächter (dieses Lachen war wohl Teil ihrer Unterhaltung mit zwei Herren) so laut herausposaunen, dass man es über sämtliche Stockwerke mithören musste. Ein armer, in seiner Mobilität eingeschränkter älterer Herr verließ das Haus und brachte seine Frust mit den Worten (es klang schon fast wie ein flehen): "Akustisches Asyl ..." zum Ausdruck. Doch leider waren wir es dann, die durch diese Worte ermuntert zu lachen anfingen mussten. Obwohl, ich denke das war in einer Lautstärke, die wohl akustisch tragbar war. Außerdem war die Entfernung bereits größer, so dass der gute Mann wohl seine Ruhe hatte...