Vergangene Woche, am Donnerstag, den 21. Februar 2013,
durfte ich im Ratssaal des Rathauses von Mainz einer Vorlesung Peter Stamms,
eines bekannten Schweizer Schriftstellers, beiwohnen. Es war der Vorabend zu
seiner Ernennung zum Mainzer Stadtschreiber. Zwei seiner Erzählungen las er
vor: „In die Felder muss man gehen …“
aus dem Erzählband „Wir fliegen“, und einer Erzählung die von einem in
Arbeitsurlaub befindlichen Schriftsteller berichtet, der für sein Referat über
Maxim Gorki Ruhe benötigt und entsprechend in ein heruntergekommenes Hotel
ankommt, dessen Service dem Äußeren des Hotels gleichkommen mag und im
monetären Vergleich zu keinem Verhältnis der Ausstattung steht. In beiden wird
der Name „Anna“ erwähnt, was jedoch nicht bedeutet, dass beide Geschichten
einen engeren Zusammenhang haben, prinzipiell kann man sagen, sie haben nicht
viel gemeinsam.
Erstere Erzählung, „In die Felder muss man gehen …“, handelt
von einem Maler, der – nach der Frage des Grundes, weshalb er überhaupt malt,
nachgeht, und die Wahrheit seiner Illusion scheinbar von einem spielenden
Jungen exemplifiziert bekommt.
Dazu muss man sich vorab die Frage stellen, was jene
Eigenschaften sind, die Bilder zu dem machen, als was wir sie betrachten, und
woraus die Komponenten bestehen. Es handelt sich um Lichtfrequenzen, die das
Auge erfasst, die mit der Phantasie in Einklang gebracht werden um das zu
entwerfen, was im Ergebnis mit den Wünschen und Hoffnungen des Erschaffers
steht. Doch es sind, zumindest für den realitätsgetreuen Schwarzseher ohne
Phantasie, lediglich einige Farben die in willkürlicher Reihenfolge auf eine
Leinwand geschmiert sind. Farben die ein Künstler durch Mischung erweitern
kann, und so seine Palette erweitert. Die Form, in diesem Fall die Farben, sind
begrenzt. Der Inhalt, der sich aus der Phantasie des Künstlers suggeriert
hingegen nie.
Beziehen wir das Ganze auf den Schriftsteller: Dieser kann seine Palette an
Worten lediglich in Form von Neologismen erweitern, doch es sind Dinge, die nicht
jeder wahrzunehmen vermag, zumindest nicht optisch. Inhalt und Form sind nie so
stark wie bei den des Textes miteinander verknüpft. Aus einem Code von 26
Buchstaben (ohne Umlaute und in Deutsch) generiert ein Schriftsteller seine
Werke, dessen Wortzusammensetzungen Regeln unterworfen sind. Doch für einen
Schriftsteller (und hoffentlich auch für einen Leser) ist ein Text viel mehr
als das, ein Beweis für die essentielle Wichtigkeit dessen, was geschrieben,
und nicht von dem, wie es geschrieben steht. Wobei Letzteres für allgemeine
Verständigung dient. Es scheint demnach eine Form von Selbstironie zu sein, mit
dem Peter Stamm seine Leser konfrontiert. Diese können darüber diskutieren,
analysieren und interpretieren, es handelt sich dennoch um einen Haufen Wörter
die der Autor mit phantastischem Inhalt in Form gebunden und somit für alle
zugänglich gemacht hat. „Es ist nur ein Stück Holz …“